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Ehemalige Schützlinge werden selbst zu Helfern
Zeitungsartikel vom 01.12.2016; 21:00 Uhr – Rhein-Zeitung
Festakt Bon-Cafe feiert seinen ersten Geburtstag mit 250 Gratulanten
Von unserer Reporterin Desiree Thorn
Bad Kreuznach. ln Afghanistan übersetzte er für deutsche Soldaten, heute unterstützt er
Geflohene in der neuen Heimat mit seinen Sprachkenntnissen. Fateullah Shams‘ eigene Flucht
liegt gerade erst ein Jahr zurück. Taliban verfolgten ihn. Die Bundeswehr machte ihm den Weg
nach Deutschland frei. „Die Leute hier helfen uns, wo sie nur können“, sagt er selbst. Genau
das will Fateullah Shams zurückgeben. Jeden Mittwoch kommt er zum Bon-Cafe, knüpft
Kontakte und bietet seine Hilfe an.
Ein Jahr nach dem Start des Begegnungsprojekts im Dietrich-Bonhoeffer-Haus ist die Initiative
„aktiv für Flüchtlinge“ längst nicht mehr auf sich allein gestellt. Neben den Helferinnen aus dem
Ausländerpfarramt kümmern sich zahlreiche Ehrenamtliche um die Bad Kreuznacher
Neubürger- darunter auch diejenigen, die vor kurzem selbst noch Neubürger waren – so wie
Fateullah Shams. „Ich helfe den Anderen mit der Sprache, gehe mit zum Arzt oder zu den
Ämtern“, erzählt der Afghane.
Eine Erfolgsgeschichte, die zeigt, dass das Konzept der Initiatoren aufgegangen ist. Das
Nachmittagscafe ist zu einer festen Instanz geworden. „Wir hätten uns nie erträumen lassen,
dass jede Woche bis zu 100 Menschen zu uns kommen“, berichtet Susanne Syren vom
Ausländerpfarramt- ein guter Grund den ersten Geburtstag so richtig zu feiern. Am Mittwoch
luden die Organisatoren daher zum großen Fest ins Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Der große Saal
im ersten Stock ist mittlerweile für die Gäste schon fast zu einem Wohnzimmer geworden. Es
duftete nach Tee und Kaffee, die Wände waren mit ganz persönlichen Fotos geschmückt, und
jeder hatte sich etwas zu erzählen.
„Das Bon-Cafe hat sich nach einem Jahr zu einem Ort entwickelt, in dem es fast schon familiär
zugeht“, erklärt Syren. Und genau wie in einer echten Familie packt auch in der Bon-CafeGemeinschaft
jeder mit an. Mit der Hilfe aller Beteiligten sorgten die Organisatoren nicht nur für
ein riesiges, internationales Kuchenbuffet, Kaffee und Tee, sondern sie stellten auch ein
vielseitiges Rahmenprogramm zusammen, denn schließlich waren fast 250 Gratulanten zum
Geburtstagscafe gekommen.
Die Band „Die Stimme von Aleppo“ übernahm den schwierigen Anfang – schwierig vor allem
deshalb, weil sich die vier Musiker erst einmal Gehör verschaffen mussten. An den bunt
gemischten Tischen herrschte während der ganzen Veranstaltung ausgelassene Stimmung –
kein Hinweis darauf, dass man sich noch gar nicht richtig kennt, keine Spur von
Berührungs.ngsten.
„Was das Bon-Cafe erreicht, ist unser aller Anliegen: Miteinander fördern und Konflikte
verhindern“, lobte Pfarrerin Astrid Peekhaus. Auch Oberbürgermeisterin Heike Kaster-Meurer
überbrachte ihre Glückwünsche: „Sie tragen dazu bei, dass diese Menschen eine neue Heimat
finden, in der sie sich wohl fühlen.“ Als kleines Dankeschön überreichte sie einigen Helfern die
Ehrenamtskarte des Landes Rheinland-Pfalz. Mit der Karte erhalten die Unterstützer
Vergünstigungen bei einigen kulturellen Angeboten.
Neben den ehrenden Worten stand am Mittwochnachmittag ganz besonders die Musik im
Mittelpunkt, die auch über die unterschiedlichen Sprachen hinweg verbindet. Mit Laute, Geige,
Tomba und Gesang brachte die syrische Band das Publikum zum Klatschen und Tanzen. Zur
Feier des Tages gründeten die Beteiligten des Bon-Cafes außerdem sogar einen Projektchor.
„Zu unserer Entschuldigung: Wir haben nur drei Mal geprobt!“, bekannte Susanne Syren schon
einmal vorab. Trotzdem brachte die Gruppe um Leiterin Katharina Moos ein deutsches und ein
arabisches Lied sowie einen Kanon auf die Bühne. Arabische Poesie und ein orientalischer
Tanz rundeten das Programm ab. Nicht nur das Engagement bei der Veranstaltung zeigte wie
stark die Gemeinschaft aller Beteiligten im Bon-Cafe ist, auch die Bilanz der Initiative macht
das deutlich. Im vergangenen Jahr musste das Treffen nur ein einziges Mal ausfallen, und
genauso soll es auch weitergehen.