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Hier befindet sich der Zeitungsartikel der Rhein-Nahe Zeitung vom 13.10.2016.
Begegnungsabend – Flüchtlinge erzählten – Ausländerpfarramt hatte eingeladen!
Von Christine Jäckel (Foto: Christine Jäckel)
Bad Kreuznach.
Wer sind die Menschen, die aus dem Iran, Afghanistan oder Syrien nach Deutschland geflohen sind und in Bad Kreuznach Zuflucht gefunden haben? Darüber konnten sich die Besucher des Begegnungsabends „Flüchtlinge erzählen“ im Bonhoeffer- Haus aus erster Hand informieren.
Susanne Bartlett vom Ausländerpfarramt lockerte die Runde zum Einstieg mit einer Demonstration auf, deren Ergebnis zeigte, dass Wanderungsbewegungen gang und gäbe sind. „Jetzt stehen alle mal auf, die nicht in Bad Kreuznach geboren wurden“, forderte Bartlett auf. Und die schon überschaubare Menge von eingeborenen Kreuznachern schrumpfte deutlich weiter mit den Ergänzungen um die Eltern- und Großelterngeneration.
Was, wer, wo, wann, wie und warum- das sind die sechs W-Fragen, die jeder Journalist kennenlernt, auch der afghanisehe Rundfunk- und Fernsehjournalist Murtaza Safie. Vor anderthalb Jahren ist er mit seiner Frau und seiner Tochter nach Bad Kreuznach gekommen. Eine Möglichkeit, einen Integrationskurs zu besuchen, gab es für ihn nicht, da diese nur anerkannten Flüchtlingen offenstehen. Murtaza Safie besuchte die durch Spenden finanzierten Deutschkurse des Ausländerpfarramts. Er beherrscht die Sprache inzwischen so gut, dass er selbst ehrenamtlich Deutschkurse gibt. Außerdem engagiert sich der Journalist, der mehrere Sprachen spricht, ehrenamtlich als Dolmetscher für die Kreisverwaltung und für Neuankömmlinge.
Vor dem Krieg sind die beiden jungen Syrer Muhsen Alhussain (28) und Haytham (20) geflohen. Beide haben in ihrer Heimat studiert. Muhsen entging mit der Flucht der Einberufung zum Militär. Er wollte nicht auf seine Landsleute schießen. Für Haytham wurde der Weg zur Uni in Damaskus, wo er Mathematik studierte, immer gefährlicher. Nachdem sein Cousin eines Tages entführt wurde, wollten die Eltern ihren Sohn in Sicherheit bringen. Haytham wie auch Muhsen kamen über die Balkanroute nach Deutschland.
Zur Frage, wie Flüchtlinge nach Deutschland kommen, kann Samantha eine besondere Geschichte beitragen. Eigentlich stammt die Schülerin, die jetzt die elfte Klasse des Röka- Gymnasiums besucht, aus dem Iran. Samanthas Familie ist christlichen Glaubens. Das bereitete ihr nicht nur dort Probleme, sondern auch in Malaysia, wohin sie zuerst flohen. Mit ihrer Mutter und einem Bruder kam Samantha vor elf Monaten nach Deutschland. Samantha konnte nur Englisch, als sie nach Bad Kreuznach kam. Aber es gelang ihr, den Schulplatz am Röka zu ergattern. Auch Haytham und Muhsen haben alles daran gesetzt, so schnell wie möglich Deutsch zu lernen. Beide haben erfolgreich die ersten Sprachkurse absolviert, und für Haytham bietet sich jetzt die Chance auf einen Informatikstudienplatz an der FH Bingen. Was ist den Flüchtlingen wichtig? „Die Sicherheit und fertig“, sagt Murtaza Safie kurz und bündig. Zu der schlimmen Bilanz von über 480 Todesopfern in den vergangeneu drei Tagen bei bewaffneten Konflikten in Afghanistan präsentierte er einen satirischen Beitrag seiner Kollegen von der Heute-Show im ZDF. Was bedeutet Heimat für Samantha? „Erste Heimat ist die Kirche. Und ich lebe jetzt in Freiheit, also liebe ich Deutschland“, erklärt Samantha.