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In den Medien wird viel über Abschiebungen berichtet. Doch in den meisten Berichten sind man nur Menschen in Flugzeuge steigen und anschließend Deutschland verlassen. Wie es für die Menschen nach der Abschiebung weitergeht, nimmt keinen Platz in der Berichterstattung ein. Meistens werden sie sich selbst überlassen, teilweise in Ländern deren Sprache sie nicht sprechen, in denen sie keinen Ansprechpartner kennen und der Regierung und den Behörden egal ist, was mit den Flüchtlingen passiert. Der folgende Bericht ist aus dem Jahr 2011 hat aber nichts von seiner Aktualität verloren und ein solcher Fall könnte genauso heute wieder passieren.
Am 19.09.2011 kamen zwischen 04:30 Uhr und 05:00 Uhr vier Polizisten zu meiner Wohnung in Kirn. Sie haben mit einem Schlüssel die Tür aufgesperrt und gesagt: „Zieh dich an, wir nehmen dich mit. Du wirst abgeschoben nach Italien!“ Sie haben nur Deutsch mit mir gesprochen. Sie erzählten, dass sie bei einem anderen Mann, der abgeschoben werden sollte, einen Dolmetscher dabei gehabt hätten, nicht aber bei mir. Sie fragten, ob ich Deutsch verstehen würden. Ich meinte „ein bisschen“. Ich habe ihnen meinen Ausweis gezeigt. Nachdem sich die Polizisten meinen Ausweis angesehen hatten, haben sie mit verschiedenen Personen telefoniert, wobei ich nicht weiß, mit wem. Ich habe den Polizisten auch die Telefonnummer des Ausländerpfarramts gegeben. Die Polizisten hatten keinen Brief oder Bescheid für mich dabei.
Es war mir möglich etwas Geld (40€), Kleidung, mein Handy und eine Kamera mitzunehmen.
Auf meine Anmerkung hin, dass ich minderkährig sei und nicht von der Abschiebung unterricht worden sei, sagten die Beamten, sie wüssten auch nicht, warum ich abgeschoben werde und fuhren daraufhin mit mir zur Kreisverwaltung nach Bad Kreuznach, um die Situation abzuklären. Da ber zwischen 06:00 Uhr und 7:00 Uhr niemand in der Ausländerbehörde in der Kreisverwaltung anzutreffen war und ich auch niemanden im Ausländerpfarramt erreichen konnte, fuhren die Polizisten mit mir zum Frankfurter Flughafen. Dort eurde ich noch circa eine halbe Stunde festgehalten. In dieser Zeit kam eine Frau von der Kirche bei mir vorbei, die mich nach seinem Alter fragen. Als ich antwortete, dass ich minderjährig sei, sagte die Frau, dass mein Vormund gesagt hätte, ich sei 20 Jahre alt und werde daher abgeschoben.
Mein Flug nach Rom ging ca. 10.45 Uhr. In Rom bin ich dann ca. um 12.30 Uhr angekommen. Am Flughafen in Rom war niemand da, der mich in Empfang nahm, weder Polizei noch Ausländerbehörde oder ähnliches. So musste ich 4 Stunden ab Flughafen warten, bis ich endlich eine Frau bemerkte, die mit ihrem Kind persisch sprach. Die habe ich angesprochen und gefragt, an wen ich mich wenden könne. Die Frau hat mir dann geraten in die Stadt an den Bahnhof zu fahren, da sich dort die meisten asylsuchenden Afghanen aufhalten würden. Da ich nur 40€ bei mir hatte, die Taxifahrt in die Stadt aber 65€ kostete, gab mir die Frau die restlichen 25€ dazu. Ich fuhr also in die Stadt Rom und traf dort die anderen Afghanen, die obdachlos neben dem Bahnhof leben. Es halten sich dort etwa 35 Personen auf, darunter Familien mit kleinen Kindern. Die meisten sind afghanischer Herkunft. Dort waren auch zwei junge Männer, die aus Deutschland nach Italien abgeschoben worden waren, der eine war auch erst 17 Jahre alt. Die meisten dieser Leute haben einen Asylausweis und sind in Italien registriert.
Eine Kirchengemeinde verteilte jeden Abend Decken, die am nächsten Morgen wieder eingesammelt wurden. Schlafen mussten wir unter freiem Himmel außerhalb des Bahnhofgebäudes. Man konnte auch zu dieser Kirchengemeinde gehen, um am Abend Essen zu bekommen, allerdings war der Weg sehr weit und es gab auch nur Essen für diejenigen die einen italienischen Ausweis hatten. Außerdem hatte ich Angst mich zu weit weg zu bewegen.
Ich verkaufte mein Handy und einige meiner Klamotten, um Geld zu haben, womit ich dann ins Internetcafe gegangen bin, von wo aus ich das Ausländerpfarramt in Bad Kreuznach kontaktiert habe. Das Ausländerpfarramt gab mir dann die Adresse einer Flüchtlingshilfsorganisation in Rom, die Asylsuchende begleitet. Am 21.09 ging ich dann zum ersten Mal dort hin. Dort wurde mir mitgeteilt, dass es sehr ungewöhnlich, dass ich nirgends registriert bin. Ich bekam dort am 21., 22. und 23. Mittagessen und konnte mich tagsüber zwischen 12 Uhr und 16 Uhr dort aufhalten. Abends gab es Essen in einer Kirche. Es wurde mir auch mitgeteilt, dass ich mich als Asylbewerber melden muss und dann für ein Jahr eine Unterkunft bekomme und ich mich in dieser Zeit um eine Arbeit kümmern müsse, da ich sonst obdachlos werde.
Ich lebte vom 19. bis 25.09 bei den anderen Obdachlosen, bis ich am 25.09 von Leuten ein Ticket nach Paris bekam. Ich fuhr mit den Regionalzügen nach Paris. Das Ticket dieser Fahrt habe ich leider nicht mehr. Nach meiner Ankunft in Paris verbracht ich dann eine Nacht am Bahnhof und fuhr am folgenden Tag von Paris bis Kaiserslautern (TGV) und von dort weiter nach Bad Kreuznach. Kurz vor der Ankunft in Kaiserslautern wurde ich dann von der Polizei kontrolliert. Sie machten ein Bild von meinem Ausweis und teilten mir mit, dass ich mich hier nicht aufhalten dürfe. Weiter unternahmen die Beamten nichts. Ich sollte dann in Kaiserslautern aus dem Zug aussteigen. Der Schaffner vergaß in dem Zusammenhang, einen Strafzettel wegen Schwarzfahrens auszustellen. Außerdem wurde ich dann noch im Zug nach Bad Kreuznach kontrolliert, wo ich dann einen Strafzettel wegen Schwarzfahrens bekam. In Bad Kreuznach angekommen ging ich zu einem Freund.